Muss man sich auf Twitter oder Facebook auf Diskussionen mit Rechten einlassen? Carsten Pilger hat es lange versucht. Heute meint er: Im Netz mit Rechten zu reden, ist reine Zeitverschwendung – weil sie an einem echten Austausch von Argumenten gar kein Interesse haben.

Kaum ein Thema scheint Ende des Jahres 2019 mehr Menschen zu bewegen, als die Frage der Meinungsfreiheit. Der Spiegel sprach von „echte(n) und gefühlte(n) Grenzen des Sagbaren“, die ZEIT widmete der „von rechts“ und „von links“ gefährdeten Meinungsfreiheit ebenfalls einen Titel. Dies alles suggeriert: Ja, wir müssen doch als Gesellschaft mehr miteinander reden und uns besser austauschen.

Ich finde: Nein, müssen wir nicht. Vor allem in Social Media muss man nicht mit jedem reden – und am wenigsten mit Rechten. An dieser Stelle möchte ich auch einmal kurz klarstellen, warum ich diese User „Rechte“ nenne und nicht „Trolle“ oder auf deren Selbstbezeichnungen wie „klassisch liberal“ oder „weder links, noch rechts“ eingehen will: Trolle kümmern sich meist nicht um ein klares politisches Ziel und ziehen für sich selbst Spaß aus dem Provozieren und Erniedrigen anderer. Auf emotionaler Ebene dürfte die Motivation für Rechte ähnlich liegen, allerdings geht es ihnen auch noch um größeren politischen Einfluss und um das Erkämpfen und Besetzen von Themen.

Warum ich das schreibe? Weil ich lange genug versucht habe, mich mit Rechten in Social Media, vor allem auf Twitter, aber auch bei Facebook oder YouTube, auszutauschen. Am Ende bleiben Frust und das Gefühl, gerade viel Zeit vergeudet zu haben. Das muss nicht sein. 

Rechte wollen keinen Austausch

In einer normalen Diskussion auf Augenhöhe geht es um einen Austausch von Argumenten – wer die logischere Idee auf der eigenen Seite hat, überzeugt das Gegenüber. So weit die Theorie. In den sozialen Medien funktioniert das aber nicht, weil Rechte eben nicht daran interessiert sind, die Ansichten der Gegenseite kennen zu lernen. Sie haben sich ihre Meinung bereits gebildet und nutzen jede Gelegenheit, diese mitzuteilen.

Ein typischer Beginn für diese Art von Scheinaustausch: Ich teile einen Artikel oder kommentiere ein x-beliebiges Thema – ich nehme mal das Beispiel der Seenothilfe – und plötzlich quatscht mich ein anderer Account von der Seite an. Das passiert durchaus häufiger, auch bei normalen Online-Diskussionen. Doch dieser Account wirkt schon etwas komisch: Als Profilbild ein Tierfoto oder ein Stockfoto von Pixabay, der Name ein Allerwelts-Alias und in der Biografie der Hinweis, man liebe sein Land und sei weder links noch rechts. Ein typischer Kommentar eines solchen Accounts lautet dann etwa: „Aber über diese Messerattacken von den Flüchtlingen, da wird mal wieder nicht berichtet!“ Was dieser Account von mir nun erwartet: meine Zustimmung. Was dahinter steckt: Der Account will meinem Ausgangsbeitrag die Berechtigung absprechen. Dahinter steckt der implizierte Vorwurf: Wer für das Retten Geflüchteter ist, verharmlost Messerattacken von Ausländern. Was natürlich Quatsch ist. Trotzdem ist hier bereits der entscheidende Moment: Wenn ich mich nun auf eine Diskussion einlasse, hat der rechte Account bekommen, was er will: meine Aufmerksamkeit.

Rechte akzeptieren keine Fakten

Die Politikwissenschaftlerin und Rechtsextremismus-Expertin Natascha Strobl hat in einem sehr lesenswerten Thread auf Twitter dargelegt, warum sie an keinen Podiumsdiskussionen mit Vertretern der Neuen Rechten teilnimmt: Es geht ihnen nicht um Diskurs, sondern um die Zerstörung von Diskurs. Auch in den sozialen Medien zeigen rechte Accounts genau diese Verhaltensmuster. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Ablehnung von Fakten. In einer Diskussion mit Rechten in den sozialen Medien hilft es nicht, selbst gut aufbereitete Quellen oder Fakten für den eigenen Standpunkt zu nennen. Zum einen werden anekdotische Ereignisse als Konter genommen. Eine einzelne, grausame Mordtat wird dann herangezogen, um zu argumentieren: „Das sind doch keine Einzelfälle!“ Und damit möchten Rechte dann auch sofort die eigenen Scheinargumente gegen jegliche Prüfung absichern.

Zudem lehnen Rechte bereits die Quelle für Fakten oder deren Einordnung ab. Dem Faktenfinder der Tagesschau oder dem Faktencheck von Correctiv werden dann eine ideologische Ausrichtung attestiert – etwa weil dort linke Journalisten arbeiten. Beim Präsentieren eigener Fakten hingegen wähnen sich Rechte gegen den Vorwurf der Ideologisierung immun – es interessiert sie einfach nicht, dass ihre Quellen offen rechte, rassistische Portale sind, die handwerkliche Mängel offenbaren. In ihrer Welt gibt es auch hier ein klares Freund-Feind-Schema.

Rechte betreiben eine Täter-Opfer-Umkehr

Dieses Schema betrifft auch den nächsten Punkt: Rechte möchten in jeder Online-Diskussion ihre Opferrolle anerkannt sehen. Wer nicht mit ihnen redet, ist aus ihrer Sicht ein Zensur-Befürworter. Wer ihnen Fakten entgegenhält, möchte sie aus ihrer Sicht mundtot machen. Wer auf ihren Hass und ihre Hetze hinweist, bekommt selbst vorgeworfen, „Stasimethoden“ zu verwenden oder wird als „Meinungspolizist“ diffamiert. Auch dahinter steht der Wunsch, allen Diskussionsteilnehmern erst einmal die eigenen Regeln über das, was richtig oder falsch ist, aufzwängen zu wollen. Das verschiebt jedoch den Diskurs und erweitert für Rechte den Raum des Sagbaren. 

Das größere Problem hierbei ist die Schützenhilfe, die Rechte im Netz für diesen Rhetorik-Trick von Leuten bekommen, die sich selbst als „liberal“ bezeichnen. Auch diese Leute fallen darauf herein und meinen dann: Wer tolerant sein will, muss auch Intoleranz tolerieren. Wozu das führen kann, wusste schon Karl Popper. 

Rechte arbeiten mit Einschüchterung

Denn wenn Rechte eben nicht meine Aufmerksamkeit oder gar Zustimmung bekommen, werden sie am Ende zu einem Mittel greifen: der Einschüchterung. Die Debatte wird beleidigend, der Ton rau. Ich arbeite als Journalist und bekomme so irgendwann zwangsläufig den Vorwurf zu hören, ich sei nur jemand, der die Meinung meiner Auftraggeber vertreten „müsse“. Oder die rechten Accounts beschweren sich, dass jemand wie ich überhaupt noch als Journalist arbeiten darf. 

Als weißer Mann bekomme ich in solchen Diskussionen noch deutlich weniger Hass und Hetze ab als Frauen, queere Menschen und People of Color. Sie sind noch größere Hassobjekte rechter Accounts, die sich von erfolgreichen Frauen, Homo-, Bi- und Transsexuellen und PoC in ihren Allmachtsfantasien bedroht sehen. 

Oft reicht es aus, wenn ein größerer Account mit entsprechender Reichweite seinen Followern zu verstehen gibt: Diese Leute sind der Feind. Am Ende übernehmen eine Vielzahl anonymer Accounts die eigentliche Einschüchterung und drohen, beleidigen und hetzen. Ihr Ziel ist Verunsicherung und dass die angegriffene Person sich vom Netzwerk zurückzieht – so werden aus den vermeintlichen Kämpfern für Meinungsfreiheit am Ende diejenigen, die anderen den Raum nehmen, sich frei zu äußern.

Rechte zu blockieren ist kein Zeichen von Schwäche

Ich habe meine Konsequenz aus „Diskussionen“ solcher Art gezogen: Meine Zeit fressen solche rechten Accounts nicht mehr, sondern wandern direkt auf die Blockliste. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern schwächt nur diejenigen, denen der Raum entzogen wird, mich zu attackieren. Sie nervt es, mir nicht mehr ihren Müll in meine Timeline spülen zu können. Ihre Attacken sind nutzlos geworden. Verhindere ich damit demokratischen Diskurs? Nein. Ich spare mir nur meine Argumente für die Gespräche auf, in denen es tatsächlich auch einen Austausch gibt und in denen gegenseitiger Respekt herrscht.