Magie und aufgeklärtes Denken scheinen Gegensätze zu sein. Doch schon früh wandten sich Zauberkünstler gegen den Aberglauben ihrer Zeit und traten für ein kritisches und rationales Weltbild ein. Ein Blick in die Geschichte zeigt, wie eng Zauberei und Aufklärung miteinander verbunden sind.
Seit Jahrhunderten verblüffen Zauberkünstler ihr Publikum mit scheinbar übernatürlichen Fähigkeiten. Sie verwandeln eine Spielkarte in eine andere, zersägen Menschen oder zaubern einen weißen Hasen aus dem eben noch leeren Zylinderhut. Mit raffinierten Täuschungen erzeugen sie die Illusion, dass Dinge geschehen, die eigentlich unmöglich sein sollten. Ihre Zuschauer tauchen so für einen kurzen Moment in die Welt des Magischen und Unerklärlichen ein, in der weder die Naturgesetze noch die Regeln des gesunden Menschenverstandes gelten.
Mit echter Magie oder okkulten Ritualen hat die Zauberkunst jedoch nichts zu tun. Der eindrucksvolle Effekt der Täuschung entsteht allein durch Fingerfertigkeit, Ablenkungsmanöver und geschickte Manipulation des Publikums. Anders als Scharlatane und Betrüger geben redliche Zauberkünstler nicht vor, Wunder zu vollbringen. Ihre Illusionen dienen der Unterhaltung und sollen zum Rätseln, Staunen und Nachdenken anregen.
Die Zauberkunst hatte von Beginn an ein aufklärerisches Potenzial. Denn nur selten wird die Fehlbarkeit der menschlichen Wahrnehmung so deutlich, wie bei einem Zaubertrick, der die Zuschauer hinters Licht führt und nach einer rationalen Erklärung verlangt. Es ist daher kein Zufall, dass die Geschichte der Zauberei immer auch eine Geschichte der Desillusionierung und des kritischen Denkens war.
Reginald Scot – Ein Frühaufklärer wider den Hexenwahn
Bereits im frühen Mittelalter zogen Taschenspieler und Gaukler von Stadt zu Stadt und führten kleine Zaubertricks auf Markplätzen, Festen und in Wirtshäusern vor. Besonders beliebt war zu jener Zeit das sogenannte Becherspiel, bei dem mehrere Kugeln unter drei Gefäßen wundersam hin- und herwandern und sich am Ende in Äpfel oder lebendige Küken verwandeln. Wie der Trickablauf genau funktioniert, wurde streng geheim gehalten, um möglichst viele Ahnungslose beeindrucken zu können.
Die Kunst mit der Täuschung war für die Taschenspieler nicht nur ein Broterwerb, sondern konnte im schlimmsten Fall zum tödlichen Verhängnis werden. Denn mit Beginn der christlichen Inquisition kamen die Zauberkünstler schnell in den Ruf, echte Magier zu sein, die in Verbindung mit dem Teufel und bösen Mächten stehen. Bis heute ist es ungewiss, wie viele von ihnen deswegen gefoltert wurden und nach einem erzwungenen Geständnis auf dem Scheiterhaufen landeten.
Es war der englische Arzt und Schriftsteller Reginald Scot (1538 – 1599), der sich mit dem bahnbrechenden Werk „The Discovery of Witchcraft“ gegen den Hexenwahn und den Glauben an übernatürliche Kräfte stellte. Nachdem er selbst von einem Zauberkünstler unterrichtet wurde, beschrieb er in seiner umfassenden Aufklärungsschrift, wie die bekanntesten Taschenspielertricks funktionieren. Dadurch konnte er zeigen, dass es für die angeblich teuflischen Wunder ganz profane Erklärungen gab. Indirekt kritisierte Scot damit den Aberglauben der Inquisitoren und der katholischen Kirche.
Wie zu erwarten, stieß Scot mit seiner subversiven Kritik auf starke Ablehnung unter seinen Zeitgenossen. Der englische König James I. soll sogar befohlen haben, das Buch öffentlich zu verbrennen. Zwar konnten einige wenige Exemplare von „The Discovery of Witchcraft“ erhalten werden, Reginald Scots Kampf gegen die Hexenverfolgung und sein Einsatz für die Vernunft sind dennoch weitgehend unbekannt geblieben.
Harry Houdini – Kämpfer gegen das Übersinnliche
Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts begann eine neue Ära der Zauberkunst. Illusionisten präsentierten ihr Können nicht mehr auf den Straßen und Marktplätzen, sondern hielten Einzug in die gehobenen Kreise der Salons, Varietés und Theater. Der rasante Fortschritt in den Naturwissenschaften beflügelte die Phantasie der Zauberkünstler und erweiterte das Repertoire der Bühnenmagie mit neuen, technischen Apparaten. In dieser Zeit erlebte die Zauberei einen enormen Professionalisierungsschub und etablierte sich damit als eine anerkannte Kunstform.
Etwa zeitgleich befand sich der spiritistische Glaube an Geister und Gespenster in einer neuen Blütezeit. Überall verabredeten sich Menschen, um bei sogenannten Séancen Kontakt zu den Seelen verstorbener Verwandter aufzunehmen. Während der Spiritismus zu einer Modebewegung in den großen Städten Europas wurde, waren es vor allem Zauberkünstler, die sich an der neuen Gegenaufklärung störten. Ihre geschulten Augen ließen sie die Tricks hinter den angeblich übersinnlichen Phänomen nämlich schnell durchschauen.
Der berühmteste dieser Zauberer war zweifellos Erik Weisz – besser bekannt unter seinem Künstlernamen Harry Houdini (1874 – 1926). Der in Ungarn geborene Entfesselungskünstler entwickelte sich zu einem der entschiedensten Gegner des Spiritismus, nachdem seine Freundschaft mit dem Schriftsteller und Sherlock-Holmes-Erfinder Arthur Conan Doyle zerbrach. Obwohl Houdini immer wieder abstritt, im Besitz unerklärbarer Kräfte zu sein, glaubte Doyle fest an die paranormalen Fähigkeiten seines Freundes. Die unterschiedlichen Ansichten zum Übernatürlichen führten schließlich zum Streit und zu getrennten Wegen.
Daraufhin erklärte Houdini den Kampf gegen die Scharlatanerie zu seiner Lebensaufgabe und verkündete vor jedem seiner eigenen Bühnenauftritte, dass es sich bei den vorgeführten Zaubertricks nicht um echte Magie handelt. Um die Methoden der Spiritisten zu entlarven, ließ er sie durch Detektive ausspähen und nahm selbst an mehreren Séancen teil. Da er sich mit seinen Enthüllungen bereits viele Feinde gemacht hatte, musste er sich bei seinen investigativen Recherchen verkleiden, um nicht erkannt zu werden.
Houdini beriet den US-Kongress bei der Untersuchung von Geisterphänomenen und wurde häufig von Journalisten als Experte zu Rate gezogen. Aufgrund seiner Fachkenntnis wurde er zudem als Jury-Mitglied eines Komitees des Wissenschaftsmagazins „Scientific American“ berufen. Dieses lobte 2.500 Dollar für den Beweis übernatürlicher Fähigkeiten aus. Dank Houdini wurde der Geldpreis nie vergeben. Keine einzige Person hielt der kritischen Überprüfung des Aufklärers stand.
James Randi – Wegbereiter der modernen Skeptikerbewegung
Auch heute setzen sich viele Zauberkünstler für ein rationales Weltbild ein und führen damit Houdinis Erbe fort. Einer von ihnen, der Kanadier James Randi (1928), gilt sogar als einer der wichtigsten Wegbereiter der organisierten Skeptikerbewegung. Im Laufe seiner langjährigen Zaubererkarriere überführte er zahlreiche Spiritisten, Wunderheiler und Parawissenschaftler der Scharlatanerie.
Internationales Aufsehen erregte Randi durch eine Auseinandersetzung mit dem berühmten Mentalisten Uri Geller. Dieser hatte wiederholt behauptet, paranormale Fähigkeiten zu besitzen und allein mit der Kraft seiner Gedanken Löffel verbiegen zu können. Bei einem TV-Auftritt in der „Tonight Show“ versagte Geller aber plötzlich vor einem Millionenpublikum – erstmals war er nicht in der Lage, seine üblichen Effekte vorzuführen. Verantwortlich für die Pleite war Randi, der vor der Sendung dafür gesorgt hatte, dass die Requisiten nicht durch Geller manipuliert werden konnten.
In den 90er Jahren gründete Randi die nach ihm selbst benannte „James Randi Educational Foundation“, die sich der wissenschaftlichen Erforschung paranormaler Phänomene verschrieben hatte. Für den wissenschaftlichen Nachweis übernatürlicher Kräfte hatte sie bis zum Jahr 2015 ein Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar ausgesetzt. Keiner der angetretenen Versuchsteilnehmer kam auch nur in die Nähe der Million. Die meisten scheiterten schon in den ersten Vortests.