Rechte Netzwerke in Bundeswehr und Polizei, eine radikalisierte AfD und Drohbriefe vom „NSU 2.0“ – die Gefahr durch Rechtsextremisten in Deutschland sollte nicht unterschätzt werden.
Bei dem Terrorangriff auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch starben mindestens 50 Menschen – ermordet von einem hasserfüllten Rassisten*, der seine Bluttat live über Facebook streamte. Zuvor hatte er seine Pläne in einem Forum angekündigt und den Anschlag in einem 74-seitigen Manifest begründet.
Während das erste Entsetzen über das Attentat nun langsam der Trauer und Anteilnahme weicht, wird auch hierzulande über rechte Gewalt und die ihr zugrundeliegende Geisteshaltung diskutiert. Denn die Ideologie des Massenmörders von Christchurch ist auch in Deutschland verbreitet. Sie besteht aus einer wirren Mischung aus Rassismus, Muslimfeindlichkeit, christlichem Abendland-Mystizismus und rechtsextremen Verschwörungstheorien. So warnt der Täter in seinem Manifest vor einem „großen Austausch“, bei dem die europäische Bevölkerung durch muslimische „Invasoren“ ersetzt werden solle – eine Vorstellung, die insbesondere von der Identitären Bewegung, von PEGIDA und vielen AfD-Politikern geteilt wird.
Wie leicht eine solche Gesinnung in Terror und Gewalt umschlagen kann, hat nicht nur der fremdenfeindliche Serienmord des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gezeigt, bei dem zehn Menschen getötet wurden. Noch immer geht von der extremen Rechten eine reale Gefahr aus. Das belegen zahlreiche weitere Fälle von rechter Gewalt und rechtsextremen Netzwerken.
Rechte Netzwerke in der Bundeswehr
Erst im November vergangenen Jahres legte die taz ein rechtes Untergrundnetzwerk in der Bundeswehr offen, an dem Soldaten, Reservisten, Polizisten und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes beteiligt sein sollen. Offenbar bereiteten sie sich in mehreren Chat-Gruppen auf einen Zusammenbruch des Rechtsstaates vor. Am „Tag X“ wolle man bereit sein, mit Waffengewalt die Macht zu ergreifen. Berichtet wird von dem Plan, politische Gegner in Lagern zu internieren und zu töten. Auch von einer „Endlösung“ soll die Rede gewesen sein.
Im Zentrum dieser Schattenarmee steht der ehemalige deutsche Elitesoldat André S., Deckname „Hannibal“. Von ihm wurden die Chat-Gruppen administriert und mit vertraulichen Informationen aus dem Inneren der Bundeswehr versorgt. Womöglich wurde er dabei von einem Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) unterstützt – ausgerechnet jene Behörde, die die Bundeswehr vor Extremismus und Terrorismus schützen soll.
Teil des rechtsextremen Netzwerkes soll auch der Bundeswehroffizier Franco A. gewesen sein. Der 2017 festgenommene Oberleutnant hatte nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft Attentate auf Politiker und Menschenrechtsaktivisten unter falscher Flagge geplant. Er entwendete Schusswaffen und Munition aus den Beständen der Bundeswehr und führte monatelang ein Doppelleben als syrischer Bürgerkriegsflüchtling. Mit dem Täuschungsmanöver wollte er vermutlich die geplante Tat auf den von ihm erfundenen Asylbewerber schieben.
Derzeit werden insgesamt 450 Verdachtsfälle mutmaßlich rechtsextremer Soldaten bearbeitet – darunter sogenannte Reichsbürger und Mitglieder der Identitären Bewegung. Das Gefährdungspotenzial ist damit größer, als bisher angenommen wurde.
NSU 2.0 – Rechtsextremisten in der Polizei
Wie vor Kurzem bekannt wurde, gibt es eine bundesweite Serie von Gewalt- und Morddrohungen gegen Politiker, Anwälte, Journalisten und Prominente. Die Absender nennen sich „NSU 2.0“, „Nationalsozialistische Offensive“ oder „Wehrmacht“, sie drohen in ihren Schreiben mit Briefbomben, Giftattentaten oder öffentlichen Hinrichtung.
Eine der ersten Personen, die ein solches Schreiben erhielten, ist die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız. Sie ist eine Hassfigur der rechtsextremen Szene, seit sie im NSU-Prozess eine Familie als Nebenklägerin vertreten und später den islamistischen Gefährder Sami A. vor Gericht verteidigt hatte. Per Fax wurde ihr im vergangenen Jahr ein Drohbrief zugestellt, der den Namen ihrer zweijährigen Tochter und die genaue Wohnadresse der Familie enthielt – Informationen, die öffentlich nicht zugänglich sind.
Bei der Suche nach dem Absender ist das hessische Landeskriminalamt (LKA) inzwischen auf eine Spur gekommen, die sie ausgerechnet in die eigenen Reihen führt: Offenbar waren die privaten Daten ohne Anlass von einem Computer der Polizei abgefragt worden. Im Zuge weiterer Ermittlungen konnte schließlich eine rechtsextreme Chatgruppe aufgedeckt werden, in der fünf Frankfurter Polizeibeamte rassistische und NS-verherrlichende Nachrichten miteinander ausgetauscht haben sollen. Bislang ist nicht geklärt, ob die Verdächtigen das Fax geschickt oder die Daten weitergegeben haben.
Zwar wurden die Polizisten vorerst von ihrem Dienst suspendiert, doch Seda Başay-Yıldız erhielt danach erneut einen Drohbrief – diesmal mit direktem Bezug auf die Polizei: „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast.“
Eine Flut rechtsextremer Drohbriefe
Insgesamt ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit wegen über 100 E-Mails mit Gewaltdrohungen aus rechtsextremen Kreisen. Zu den Empfängern gehören Bundestagsabgeordnete, Verlage, Prominente wie die Sängerin Helene Fischer, mehrere Oberlandesgerichte und Organisationen wie der Zentralrat der Juden in Deutschland.
Die Droh-Mails gehen dabei nicht nur an potenzielle Opfer rechtsterroristischer Anschläge, sondern auch an zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für sie einsetzen. Linke Einrichtungen in Wiesbaden und Mainz haben vor Kurzem einen anonymen Brief mit erpresserischem Inhalt erhalten. Sollten sie weiterhin Flüchtlingen und Migranten helfen, würden diese sterben: „Wir drücken ab, aber ihr spannt den Hahn“, heißt es in dem anonymen Schreiben.
Die AfD radikalisiert sich
Seit ihrer Gründung hat sich die AfD zunehmend radikalisiert. Sie pflegt nicht nur enge Kontakte in die rechtsextreme Szene – etwa zur neurechten Gruppierung der Identitären Bewegung oder zu PEGIDA –, sie bietet auch ausgewiesenen Rechtsradikalen in den eigenen Reihen eine politische Heimat.
Vor allem in der völkisch-nationalistischen AfD-Gruppe „Der Flügel“ ist eine rechtsextremistische Gesinnung verbreitet. Initiiert wurde sie von Bernd Höcke, der mehrfach wegen rassistischen Aussagen in der Kritik stand und das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hatte. Recherchen des Soziologen Andreas Kemper weisen zudem darauf hin, dass Höcke unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ Artikel in einer NPD-Zeitschrift veröffentlicht hatte. Darin lobte er die Ideen der NPD und verherrlichte das NS-Regime. Ein Parteiausschluss, den die ehemalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry deswegen beantragt hatte, wurde abgelehnt.
Höcke genießt indes weiterhin ein hohes Ansehen unter seinen Anhängern. Mit seinen menschenverachtenden Parolen ist er in der AfD kein Einzelfall. Alle Versuche, den Einfluss rechtsextremer Kräfte in der Partei einzudämmen, sind bislang gescheitert. Im Gegenteil: Stärker als je zuvor geben sie den Ton an.
*Anm. d. Red.: Wir folgen dem Beispiel der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern und nennen den Attentäter von Christchurch nicht beim Namen. Ein Ziel des Attentäters war es, mit seiner Tat Bekanntheit zu erlangen. Wir halten es deshalb für richtig, dem Täter nicht mehr Aufmerksamkeit zu geben, als nötig.