Sogenannte Konversionstherapien sollen Menschen von Homosexualität „heilen“. Gesundheitsminister Jens Spahn will sie nun verbieten lassen – und erhält für sein Vorhaben Zuspruch von Experten und Aktivisten. 

Es ist noch nicht lange her, dass Linkshänder als „unnormal“ galten. Bis in die 1970er Jahre wurden sie an deutschen Schulen gewaltsam zu Rechtshändern umerzogen. Bei vielen Betroffenen hatten die Zwangsmaßnahmen Konzentrationsschwierigkeiten, Sprachstörungen oder Lernprobleme zur Folge. Es gilt deshalb heute als Körperverletzung, linkshändige Kinder zum Schreiben mit der rechten Hand umzuerziehen.

Genauso wenig, wie man sich zur Linkshändigkeit entscheidet, wählt man die eigene sexuelle Orientierung. Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass eine Umpolung in beiden Fällen nicht möglich ist.

In der Medizin hat sich längst durchgesetzt, dass Homosexualität keine Krankheit, sondern eine gesunde Form sexueller Orientierung ist. Die entsprechende Diagnose wurde 1992 aus dem ICD-Katalog, dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), gestrichen. Dennoch gibt es Gruppen, die entgegen aller wissenschaftlichen Erkenntnisse sogenannte Konversionstherapien anbieten, mit denen Schwule und Lesben von ihrer Homosexualität „geheilt“ werden sollen. Aus Homosexuellen sollen Asexuelle oder Heterosexuelle werden.

Radikale Christen für die „Homo-Heilung“

Vor allem unter christlichen Fundamentalisten ist der Glaube verbreitet, dass gelebte Homosexualität eine Sünde wider die Gebote Gottes sei und behandelt werden könne. In Deutschland sind es Organisationen wie die Offensive Junger Christen, die Gesellschaft für Lebensorientierung (LEO e. V.) und der Verein Weißes Kreuz, die Umpolungsversuche anbieten oder empfehlen.

Es ist unklar, wieviele Menschen in Deutschland von den Konversionsverfahren betroffen sind. Erhebungen gibt es bislang keine. Auch werden die Absichten und Methoden solcher Organisationen nicht immer transparent nach außen kommuniziert. In offiziellen Darstellungen und auf Webseiten wird der Begriff „Therapie“ meist vermieden und stattdessen von „seelsorgerischer Begleitung und Beratung“ gesprochen – man wolle Menschen, die mit ihrer sexuellen Orientierung im Unreinen sind, seelsorgerisch begleiten. Dahinter versteckt sich jedoch der Glaube, eine homosexuelle Neigung könne sich durch Gebete, Gespräche oder Exorzismen korrigieren lassen.

Weniger ungeschminkt propagiert der Bund Katholischer Ärzte die Umpolung von Homosexuellen. Ihr Leiter, Gero Winkelmann, ist überzeugt davon, dass Homosexualität eine psychische Störung sei, die unter anderem durch Leberschäden oder Krankheiten vorheriger Generationen ausgelöst werden kann. Mit einer Reinigung des Körpers durch eine homöopathische „Entgiftung“ könne die Homosexualität geheilt werden.

Winkelmann ist nicht der einzige, der vorgibt, eine sexuelle Orientierung ändern zu können. Eine Panorama-Reportage aus dem Jahr 2015 deckte auf, dass es zahlreiche Anbieter sogenannter Konversionstherapien in Deutschland gibt – darunter auch Mediziner, die Exorzismen durchführen und ihre dubiose Behandlung mit der Krankenkasse abrechnen.

Die Vorstellung, Homosexualität therapieren zu können, ist keineswegs nur bei kleinen, radikal-christlichen Gruppierungen verbreitet. Auch die katholische Kirche ist nicht frei davon, Schwule und Lesben zu pathologisieren. Papst Franziskus etwa plädierte dafür, homosexuelle Kinder psychiatrisch behandeln zu lassen. Bei ihnen ließe sich „noch vieles machen, mit der Psychiatrie etwa, um zu sehen, wie die Dinge sich verhalten“.

„Konversionstherapien“ sind unwissenschaftlich und gefährlich

In der psychologischen und medizinischen Forschung ist man sich längst einig, dass sogenannte Konversionstherapien nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch gefährlich sind. Der Weltärztebund, dem über 100 nationale Ärzteverbände – darunter die deutsche Bundesärztekammer – angehören, warnt vor Umpolungsversuchen der sexuellen Orientierung: „Es gibt für sie keine medizinische Indikation und sie stellen eine ernste Gefährdung für die Gesundheit und die Menschenrechte von denen dar, die behandelt werden.“

Wissenschaftler warnen vor schweren psychischen Folgen, besonders für Kinder und Jugendliche. Denn betroffen sind häufig junge Menschen, die ihre sexuelle Orientierung gerade erst entdecken und sich in einer besonders verletzlichen Lebensphase befinden. Colin Goldner, Psychologe und langjähriger Leiter einer Informations- und Beratungsstelle für Therapie- und Psychokultgeschädigte, klärt auf: „Für die Betroffenen kann solche Form der Behandlung ausgesprochen negative und schädliche Effekte zeitigen – berichtet wird von Ängsten, Panikattacken, Depressionen und einer erhöhten Suizidalität.“

Umpolungsversuche sollen nun verboten werden

Das Europäische Parlament hatte erst im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit dafür gestimmt, Umpolungsversuche gesetzlich zu verbieten. In Deutschland könnte das demnächst umgesetzt werden. In einem Interview mit der taz erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn: „Homosexualität ist keine Krankheit und deswegen ist sie auch nicht therapiebedürftig. Deswegen bin ich für ein Verbot der Konversionstherapie.“ Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll bis kommenden Sommer gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium vorgelegt werden. Bis dahin soll zunächst eine Studie in Auftrag gegeben, die die rechtliche Situation in Ländern untersucht, in denen Umpolungsversuche bereits verboten sind – zum Beispiel Malta und Australien.

Jens Spahn könnte mit seinem Gesetzesentwurf nun umsetzen, was Aktivisten schon lange fordern. Das Aktionsbündnis gegen Homophobie unterstützt die Verbotsbestrebung. Gemeinsam mit der internationalen Kampagnenplattform All Out und der Initiative Enough is Enough! – Open your Mouth! hatte es bereits im vergangenen Jahr eine Petition gestartet, die mittlerweile über 25.000 Mal unterzeichnet wurde. Sören Landmann, Sprecher des Aktionsbündnisses, erklärt dazu: „Es kann nicht sein, dass wir in Deutschland andere Länder mit erhobenem Zeigefinger zur Einhaltung der Menschenrechte ermahnen, und gleichzeitig im eigenen Land noch viele Hausaufgaben nicht erledigt sind.“

Landmann fordert zudem eine klare Positionierung der Glaubensgemeinschaften. Vor allem progressive Vertreter der Kirche müssten klar kommunizieren, wo rote Linien liegen, die nicht überschritten werden dürfen: „Neben dem Staat sind auch die Kirchen und alle anderen Religionsgemeinschaften in der Pflicht, insbesondere, aber nicht nur Kinder mit aller Kraft vor solchen Umpolungsversuchen zu schützen und sich dagegen auszusprechen. Dass bisher keine klare Kante gezeigt wird, ist hoch problematisch. Denn dadurch ermöglichen sie dem Ganzen eine Legitimation.“